Sagen

Sagen aus dem südlichen Waldviertel
Verlag Sandler, Pöggstall, von Gerlinde Székely
zusammengestellt von Aloisia Hintersteiner und Alois Kloibhofer

 

Das Kegelspiel

Seit dem 17. Jh. wurde die Ysper zum Holzschwemmen benützt. Es war dies der billigste Beförderungsweg bis zur Donau, wo das Holz dann als Floß stromabwärts gesteuert wurde. Vor einigen Jahrzehnten nun war auch die Langthaler-Familie gerade mit dem Holzschwemmen beschäftigt und der kleine Hansi wollte zu gerne dabei sein. Die Großmutter aber war ängstlich und ließ ihn nicht fort.
"Sei brav Hansi", tröstete sie ihn gutmütig, "gehst halt am Dachboden kegeln, hast eh schon lang net gspielt."
Da wetzte Hansi davon und gleich darauf hörte sie die Kugel rollen und die Kegel fliegen, und sie war beruhigt. Die ganze Zeit, die sie in der Küche stand, hörte sie ihn kegeln.
Plötzlich flog die Tür auf und die Eltern standen mit toten Buben auf dem Arm da.
Die Großmutter wurde blaß. Sie hörte ihn doch noch immer kegeln. Aber der Hansi war längst aus der hinteren Tür zur Ysper geflitzt und dort im eiskalten Wasser ertrunken.
Nur gekegelt wurde noch in so mancher Nacht auf dem Dachboden.
In den Kriegsjahren wurde die Gegend um den Ödteich ausgesiedelt. Man wollte dort einen Truppenübungsplatz einrichten. So mußte auch die Langthaler-Familie nach Gutenbrunn umsiedeln.
Als sie die letzte Habe mit Roß und Wagen vom Ödteich holten, fuhren etliche Burschen  und Mädchen mit. Wieder einmal erzählte man die Geschichte vom Keglergeist. Die jungen Burschen lachten aus vollem Hals. So einen Unsinn wollten sie wirklich nicht glauben.
Während man den letzten Hausrat auflud, saßen noch zwei Burschen und die Erzählerin auf dem Wagen bei den Pferden. Auf einmal wurde es still. Die, die zuvor am lautesten gelacht hatten, wurden weiß wie die Wand und riefen: "Nur weg von hier und nie mehr zurück!" Denn sie hörten es alle - noch immer rollte die Kugel, noch immer flogen die Kegel.

 

Der versteinerte Lamerana

Der Lamerana war immer besoffen. Er ging dann gern fensterln und sein Juchzer war in der ganzen Gegend bekannt. Alle, die um den Ödteich zu Hause waren, belächelten ihn.
Vor der Langthaler-Großmutter schämte er sich aber immer und er trachtete, ihr nicht zu begegnen.
Eines Tages mußte die Großmutter in den Wald, um ihrem Mann das Essen zu bringen.
Auf dem Weg dahin sah sie schon von weitem den Lamerana - ziemlich wackelig. Als sie dann näher kam, hatte er sich auf dem Hang oben versteckt. Zusammengekauert, wie eine Kugel saß er da, mit seinem grauen Gewand, einem Stein zum Verwechseln ähnlich.
"Brauchst die net verstecken, Lamerana", rief ihn die Großmutter an, "i hab di schon gsehn, i reds a net weiter", und ging vorbei. Aber es war ihr nicht wohl dabei. Zu sehr sah der Lamerana aus wie ein Stein.
Als sie sich umdrehte, rollte der "Stein" gerade den Abhang hinunter und blieb auf dem Weg liegen. Die Großmutter bekam es mit der Angst zu tun. Sie wußte nicht, sollte sie vorwärts gehen oder zurück. Zurück traute sie sich nicht, müßte sie doch an dem versteinerten Lamerana vorbei. So ging sie denn ein Stück weiter, dem nahen Wald zu. Plötzlich hörte sie den berühmten Lamerana-Juchzer und atmete auf: es war doch der lebendige Lamerana. Sie wurde gleich übermütig und ihn nachspottend, juchzte sie zurück.
Und als sie sich nochmals umdrehte, um zu sehen, wie der Lamerana auf den Spott reagierte, war da weit und breit nichts zu sehen, kein Lamerana und kein Stein. Es war, als ob nichts gewesen wäre.

 

Die Riesenschlange in der Ysperklamm

Nachdem die Große Ysper den Ödteich durchflossen hat, bildet sie in einem schluchtartigen Tal die Ysperklamm. Tief nagt sich das Wasser in das Urgestein ein und formt eine Klamm von sehenswerter Schönheit. Tosend stürzt das Wasser über Steine, wäscht Tümpel aus, in denen sich lustige Forellen tummeln, bildet Wasserfälle von ganz beachtenswerter Höhe. Durch dieses Engtal führt ein bequemer Fußweg, der die Schönheiten der Klamm dem Wanderer erschließt.
Am rechten Ufer des Baches, in der Klamm, liegt ein Wiesengrund, der von riesigen Steinblöcken übersäht ist. In den Höhlen zwischen den Steintrümmern soll vor vielen Jahren eine Riesenschlange gelebt haben, ein Ungeheuer, von gewaltiger Größe. Näherte sich unversehens irgendjemand dem Tier, wurde er von ihm getötet. Die Bewohner der angrenzenden Klaus wurden durch dieses Scheusal in Angst und Schrecken versetzt. Sie lebten in ständiger Unruhe und Bedrohung. Schon der Gedanke an die wütende Schlange erfüllte sie mit Furcht und Grauen.
Darum suchten sie nach einem mutigen Mann, der das Herz auf dem rechten Fleck hätte und sich vor nichts fürchtete. Dieser sollte es wagen, den Kampf mit dem Untier zu bestehen und es  zu besiegen. Sie selbst hatten weder Mut noch Lust, denn sie ängstigten sich zu sehr.
Der Wunsch der Klausbewohner sollte wirklich in Erfüllung gehen. Eines Tages kam ein berüchtigter Wilderer in diese unwirtliche Gegen. Er hatte von der Existenz des Riesentiers keine Ahnung. Seine Streifzüge führten ihn zufällig in die Ysperklamm. Er kam zu der Wiese und wurde sogleich von der Riesenschlange zum Kampf gestellt. Wild zischend versperrte sie ihm den Weg, erhob sich drohend, um über ihn herzufallen und gab ihm nur zu deutlich zu verstehen, daß ein Entkommen weder vor - noch rückwärts möglich sei. Was blieb dem Wilderer also übrig? Er mußte, ob er wollte oder nicht, den Kampf mit dem Tier aufzunehmen.
Schnell und ohne zu zögern legte er sein Gewehr an die Wange, zielte und schoß. Blutüberströmt stürzte die Riesenschlange zusammen und wand sich in wilden Zuckungen auf dem Boden. Das Blut floß wie ein Bächlein dahin. Bald lag das Tier verendet am Kampfplatz.
Rasch verbreitete sich die Kunde von der Tat des Wilderers. Die Bewohner der ganzen Gegend  ringsum feierten ihn als großen Helden. Sie erlaubten ihm zum Danke für diese Tat, in ihren Wäldern alles zu jagen, wonach sein Herz Lust verspürte.
Nicht allzulange sollte der Wilderer der Held der guten Tat bleiben. In seinem Übermut trieb er Dinge, die ihm nicht zur Ehre gereichten. Bald zischelten die Leute viel Übles über ihn u nd es dauerte gar nicht lange, bis es hieß, er stehe mit dem Teufel im Bunde. Doch kümmerte sich der Wilderer nicht darum. Je mehr die Leute über ihn wußten, desto mehr freute er sich darüber und desto toller trieb er es.
Eines Tages faßten ihn die Landjäger, als er soeben eine böse Handlung begangen hatte. Sie überstellten ihn dem Gerichte. Hier erhielt er seine gerechte Strafe. Viele Jahre sollte er hinter Gitter und Kerkermauern schmachten. Der Tod. Holte ihn aber in eine andere  Welt, noch ehe er die ganze Strafe verbüßt hatte.

 

Der Riesenfisch im Ostrong

Im Innern des Ostrong befindet sich ein großer See. Nicht ein gewöhnlicher See, wie andere es sind, nein, ein  ganz eigenartiger See ist es, der das Innere des Berges ausfüllt.

Dunkel und kalt ist sein Wasser. So tief ist er, daß man nicht auf den Grund sehen kann. In diesem geheimnisvollen See lebt ein Fisch von ganz ungewöhnlicher Größe, ein richtiger Riesenfisch. Manchmal ist in der Gegend ein Dröhnen  zu hören. Dann ducken sich die Menschen, als fiele über ihnen der Himmel ein. Es ist ja schließlich auch kein Wunder. Weiß doch der Einheimische, woher dieses Rumoren kommt und was es bedeutet. Es ist der Riesenfisch im Ostrong, der mit seinem Schwanze an den Berg rührt.
Noch schläft er. Noch steht sein mit goldenen Schuppen überdeckter Körper ruhig im Wasser. Noch sind seine Augen aus Riesendiamanten geschlossen. Nur ganz selten blinzelt der Riese. Dann geht ein Funkeln wie von tausend Feuern durch das Innere des Berges und erleuchtet den See taghell.

Einmal aber wird der Riesenfisch aus seinem Schlage völlig erwachen. Dann bedeutet dies den Untergang des Yspertales. Mit seinem Schwanze wird er an den Berg schlagen, daß ein Dröhnen, ein Sausen und Brausen die Luft erfüllen wird. Immer stärker werden die Schläge an die Innenwände des Berges pochen, bis endlich der Ostrong entzwei bricht und das Wasser des Sees freien Lauf ins Yspertal hat. Das wird für das ganze Tal die Sintflut bedeuten. Weder für Mensch noch Tier wird Rettung möglich sein.
Bis das Wasser völlig abgelaufen ist, wird sich auch der Berg wieder schließen und auf seinem Rücken Schloß Weißenberg stehen, das vor Zeiten ins Tal hinabgrüßte.

 

Die Nixe vom Ostrong

Vor vielen Jahren lebte in Altenmarkt im Yspertal ein sehr armer Handwerksbursche. Kümmerlich mußte er sich sein Brot verdienen. Überall legte er Hand an, wenn es  zu helfen galt. Und es gab keine Arbeit, die ihm zu schlecht war.

So verdiente er sich auch als Holzhauer auf dem Ostrong. Schwer und gefährlich war die Arbeit und gering war der Lohn. Täglich ging er den weiten Weg auf den Ostrong, um dort Bäume zu fällen. Eines Tages überraschte ihn mitten in der Arbeit ein arges Gewitter. Der fleißige Handwerksbursche merkte davon nichts, bis ein greller Blitz den ganzen Wald hell erleuchtete und ein furchtbarer Donnerschlag die Luft erschütterte.
Da wußte er, daß es hoch an der Zeit sei, die Axt niederzulegen und für die Dauer des Gewitters sicheren Unterstand aufzusuchen.

Kaum hatte er ein Plätzchen gefunden, das ihm einigermaßen Schutz vor den Unbilden des argen Wetters bot, war die Hölle los. Blitz um Blitz zuckte über den Himmel, daß er einem Feuermeere glich, und wuchtige Donnerschläge ließen die Erde in ihren Fugen erzittern. Auf einmal schmetterte ein Blitz mit furchtbarem Getöse vor dem Handwerksburschen in die Erde und warf diesen zu Boden.

Als er wieder zu sich kam, sah er ein weibliches Wesen von wunderbarer Gestalt vor sich stehen. Ein Mädchen mit dem lieblichsten Gesichte lächelte ihn freundlich an. Der Bursche war so verzückt, daß er das Mädchen fragte, ob es nicht seine Frau werden wolle. Es bejahte die Frage. Da war er selig und führte das schöne Mädchen als seine Frau in sein kleines, bescheidenes Heim. Hier lebten sie sehr glücklich mitsammen.

Wie nun das schon so auf Erden ist, können es manche Leute nicht sehen, daß zwei Menschen in Glück und Frieden miteinander leben. So gab es auch in Altenmarkt im Yspertal Menschen, die den zwei jungen Leuten das Glück nicht gönnten. Sie sahen, daß die junge Frau öfters bei Vollmondnächten das Haus verließ, um in den nahen Wald zu huschen. Dies hinterbrachten sie dem Manne, der ungläubig den Kopf schüttelte. Er mußte ihnen jedoch versprechen, in der nächsten Vollmondnacht seiner Frau nachzuschleichen.

Als wieder der Vollmond vom Himmel auf die Erde niederlachte, schlich der junge Mann seiner Frau in den Wald nach. Er wollte sie beobachten, und, wenn sie etwas Unrechtes treibe, zur Rede stellen. Da öffnete sich plötzlich vor ihm die Erde und seine Frau sprang in einen wunderschönen blauen See. Ein greller Blitz durchzuckte den Himmel und warf den jungen Mann zu Boden. Als  er wieder zur Besinnung kam, rief eine laute Stimme: "Warum bis du mir gefolgt? Nun Kehre ich nicht mehr zu dir zurück!"

Traurig ging der Mann nach Hause. Vergebens wartete er hier auf seine schöne Frau, doch sie kam nie wieder.

 

Das tanzende Dorf

In der Nähe des Marktfleckens Ysper im Yspertal lag einst ein sehr schönes Dorf. In diesem wohnten nur wohlhabende Leute. Die größte Sorge aller Dorfbewohner war, Abweschlung in den Ort zu bringen. Man wollte nur lustige Stunden und Tage verleben. Wenn es nur irgendwie möglich war, spielte Musik zum Tanze auf. Man sprach daher nur vom tanzenden Dorf, wenn man den reichen Ort bei Ysper meinte.

Einmal war nun wieder ein großes Tanzfest angesagt, obwohl im ganzen Yspertal die Menschen in die Kreuzwegandacht gingen, denn es war mitten in der österlichen Fastenzeit. Da schickte Gott dem tanzenden Dorf die gerechte Strafe.

Als die Festesfreude den Höhepunkt erreicht hatte und die Ausgelassenheit der Tanzenden keine Grenzen mehr hatte, begann der Ort in der Tiefe zu versinken. Aus den Wiesen rings um das Dorf quoll Wasser,quoll aus vielen Stellen zugleich, bildete Tümpel und Teiche, stieg immer höher. Bald hatte es die Wiesen überflutet  und drang in die Gassen des Dorfes ein.

Da gellte auch schon in den Tanzsal der fürchterliche Ruf: "Wasser! Wasser! Das Dorf versinkt!" Nun ging ein Tumult los. Jeder wollte sich retten. Es gab aber keine Hilfe mehr. Das Strafgericht Gottes war furchtbar. Der ganze Ort versank in kürzester Zeit in den hochsteigenden Fluten. Kein einziger Dorfbewohner entkam der Strafe.

Wo dieses Dorf einst stand, findet man heute noch sumpfige Wiesen. Das Volk nennt sie die "Hauswiesen". Das Turmkreuz der Kirche von Ysper soll angeblich in diesen feuchten Hauswiesen gefunden worden sein. Vielleicht stammt es von der Kirche, die mit dem Orte versunken ist. Als Wahrzeichen soll es die Menschen daran erinnern, nicht nur der Lust zu leben, sondern auch im Frohsinn nicht auf den lieben Herrgott zu vergessen.

 

Ritter Hans von Rorregg

Eine der ältesten Sagen des südlichen Waldviertels ist die Sage von Ritter Hans von Rorregg.

1. Aus der Jugendzeit

Hans lebte in seiner Jugend als Edelknabe auf Schloß Wimburg. Er war ein Edler von Kühberg. Sein Vater war in einem Kreuzzug gefallen. Deshalb nahm ihn Ritter Kuno von Wimburg auf sein Schloß und ließ ihm hier eine tadellose ritterliche Erziehung angedeihen. Zur Freude seines Beschützers entwickelte sich Hans prächtig und verstand es bald, sich die Herzen aller  zu erobern.

Ritter Kuno von Wimburg ließ seinen eigenen Sohn Heinrich nach dem Vorbild des tapferen Hans erziehen. Hans und Heinrich waren sich aus voller Seele zugetan und liebten einander, als wären sie leibliche Brüder.

Doch nicht lange sollte diese schöne Zeit andauern. Das nahe Schloß Weinsberg wurde von einem Haufen böhmischer Freibeuter geplündert und in Brand gesteckt. Der Gutsherr, dessen Familie sowie alle Mannen, Knechte und Mägde fanden dabei den Tod. Diese düstere Kunde kam nach Schloß Wimburg. Nun war es hier mit allem Spiel zu Ende. Es wurde gerüstet, damit der Räubern von Weinsberg im Notfall der richtige Empfang zuteil werde. Aber so schnell sollte es nicht gehen.

In einer Samstagnacht läutete gegen elf Uhr das Glöcklein von Pisching. Dies bedeutete Gefahr. Der Turmwart stieß in sein Horn und dumpf tutete es über die Burg und weckte die Schläfer. Schnell waren die Männer gerüstet. Da erschien vor dem Burgtor ein Knabe und berichtete, daß die Räuber von Weinsberg die Pischingmühle in Brand gesteckt hätten. Der Müller sei von ihnen erschlagen und die Müllerin gefesselt auf ein Pferd gebunden worden. Nach dieser Untat hätten sich die Unholde in Richtung gegen Gutenbrunn aus dem Staub gemacht.

Sofort nahmen die Männer der Wimburg die Verfolgung der Freibeuter auf. In der Nähe der von den Räubern zerstörten Burg Weinsberg kam es zu einem erbitterten Kampf. Auf Leben und Tod tobte der Waffengang hin und her. Noch war es völlig ungewiß´, wer die Oberhand behalten werde.
Schließlich triumphierten die wackeren Recken der Wimburg. Sie nahmen die Räuber gefangen  und hielten kurzes Gericht. Bald sah man die Bösewichte auf den nächsten Bäumen zappeln. Junker Hans befreite die Müllerin aus ihrer furchtbaren Lage. Seit dieser Zeit kamen keine Räuber mehr ins Land.

2. Hans als Vogt und Jäger

Für Junker Hans begann eine schöne Zeit. Er wurde Vogt der Burg. Ihm unterstand als solchem alle Wirtschaftler, Handwerker und Jäger. Er verstand es, ein festes Regiment auf der Wimburg zu führen. Zucht und Ordnung herrschten wie nie zuvor. Seine Lieblingsbeschäftigung blieb aber die Jagd. Sein unermüdlicher Fleiß machte ihn zum besten Schützen weit und breit. Jeder Schuß traf ins Schwarze.

Zu Michaeli wurde eine große Jagd veranstaltet. Der gesamte Ostrong war Jagdrevier. Alle Knappen und Knechte  zogen mit. Allen voran ritt Junker Hans. Auf einmal entdeckte er die frische Spur eines Bären. Sogleich nahm er dessen Verfolgung auf und kam so vom Weg der Seinen ab. Bald spürte er das Tier auf, stellte es zum Kampf und erlegte es. Dabei bekam Hans einige Tatzenhiebe ab, so daß Blut aus den Wunden floß.

Bei einer nahen Quelle auf der Anhöhe des Ostronges stürzte er kraftlos zusammen. Da erschien ihm ein über alle Maßen schönes Mädchen und brachte im Labung. Mit dem Wasser kühlte es seine Wunden und wusch ihm die Stirne. Schon wollte es sich wieder entfernen. Da bat es Junker Hans zu bleiben. Bald wußte das liebliche Mädchen um das Geschick des elternlosen Jünglings und tröstete ihn.

Beim Abschied lud es ihn ein, wieder an diese Quelle zu kommen, es werde ihn trösten, sollte ihm Leid widerfahren. Hans versprach zu kommen. Mit einem kräftigen Händedruck nahmen sie Abschied voneinander.

3. Der Talisman

Auf der Wimburg wurden große Vorbereitungen zum Kampfe gegen die Ungarn getroffen. In einer finsteren Nacht, als die Bewohner der Burg im Rittersaale um den mächtigen Eichentisch saßen, schrillte dreimal die Torglocke. Ein stattlicher Ritter wurde in den Saal geführt.

Er berichtete von räuberischen Einfällen der Ungarn und überbrachte des Herzogs Heerruf, gegen die Feinde zu ziehen. Ritter Kuno war traurig, wegen seines Alters nicht mehr am Kampfe teilnehmen zu können. Hans und Heinrich nahmen die Botschaft des Herzogs mit Jugel auf, sollte doch endlich wieder einmal Abwechslung in das sehr eintönige Leben kommen und Gelegenheit geboten werden, im Kampfe mit den Feinden den Mut unter Beweis zu stellen.

Junker Hans aber sollte vor dieser großen Heerfahrt noch einmal zur Quelle auf den Ostrong reiten, um das liebliche Mädchen zu treffen. Er führte sein Vorhaben aus und traf wirklich Oshilde, so hieß das Mädchen. In großer Liebe waren sie einander zugetan. Sie versprachen, nie wieder von einander zu lassen und sich gegenseitig wirkliche Treue zu bewahren.

Oshilde schenkte dem Junker eine blühende Rose und sprach: "Diese Rose ist dein Talisman. Solange du auf dem Wege der Tugend wandelst und mir die Treue hältst, wird die Rose frisch sein und wird blühen. Irrst du aber vom rechten Wege und brichst die Treue, wird die Rose welken. Wenn du vom Kampfe zurückkommst, werde ich deine Frau werden."

Hierauf nahmen sie Abschied und Junker Hans ritt zurück auf die Wimburg.

4. Das Turnier

Nun brachen Hans und Heinrich mit ihren Kriegsleuten auf und zogen gegen Pöggstall und Streitwiesen. Hier wurde Verlobung zwischen Heinrich und der schönen Tochter des Ritters von Streitwiesen gefeiert. Einige Tage verblieben sie auf der gastlichen Burg. Die Festlichkeiten wollten schier kein Ende nehmen.

Sie mußten aber weiterziehen, zuerst gegen Weitenegg, dann weiter die Donau entlang gegen Wien. Hier sollten sie länger verweilen, denn Wien war der Sammelplatz aller Ritter des Herzogtums. Es dauerte einige Zeit, bis alle Herren beisammen waren. Unterdessen vertrieb man sich die Zeit mit Ritterspielen aller Art.

Hans und Heinrich erhielten den Ritterschlag und durften gegen die Ritter von Hallenstein kämpfen. Heinrich hatte im Kampf kein Glück. Er unterlag und mußte dem Hallensteiner weichen. Hans gewann das Turnier. Er hob ihn aus dem Sattel und warf ihn in den Sand. Reichlicher Beifall belohnte seine Tat. Der Sieger Hans bekam aus den Händen der Herzogin eine goldgestickte Schärpe als Preis.

Bald war der Name Hans von Kühberg in aller Munde. Die Lobpreisungen nahmen kein Ende. Der Hallensteiner war seither auf Ritter Hans nicht gut zu sprechen.

5. Der Feindkampf

Endlich hatten sich alle Ritter in Wien versammelt. Ein riesiger Heerzug wälzte sich gegen Preßburg. Gar bald begann der Freindkampf. Er sollte lange kein Ende nehmen. Zu den tapfersten Recken gehörte Ritter Hans. Er bestand ärgste Kampfesnöte und erfocht die meisten Siege.

Schließlich neigte sich der Sieg den Österreichern zu. Die Ungarn verloren den Kampf und nahmen in wilder Flucht reißaus. Die Österreicher traten die Heimfahrt an. In Wien wurden großes Siegesfeiern abgehalten. Ritter Hans wurde allgemein geehrt. Kaum zeigte er sich auf der Straße oder auf dem Turnierplatz, brach grenzenlose Begeisterung aus. Er war der Held der Kämpfe gegen die Ungarn geworden. Der Herzog dankte ihm für seine Tapferkeit und schenkte ihm für seinen Heldenmut das schöne Schloß Rorregg.

Da kannte die Freude im Herzen des stattlichen Ritters keine Grenzen mehr. Rorregg war sein Eigen! Bei allem Jubel vergaß er Oshilde auf dem Ostrong nicht. Er sah sie an der fernen Quelle und freute sich seines Talismans, der frischen, blühenden Rose.

6. Das menschliche Herz

Das Herz des tapferen Ritters drängte nach Hause. Nichts wollte ihm mehr in der Fremde gefallen. Nur an die liebliche Oshilde dachte er und wollte sie bald in seiner Arme schließen.

Nun war er ja reich und der Verbindung mit Oshilde stand nichts mehr in Wege. Er besaß ja Schloß Rorregg, sein stolzes Rorregg! So nahm er Abschied von allen wackeren Recken und lenkte das Pferd der Heimat zu.

Er ritt der Donau aufwärts, gegen die Wachau. Hier sollte seine Reise eine Unterbrechung erfahren. Er kam an einer Burg vorbei,, die in hellen Flammen stand. Hilfsbereit  sprang Ritter Hans den Bedrängten bei. Er rettete die Tochter des Burgherrn vor dem sicheren Flammentod. Bei der Rettung zog sich Hans arge Brandwunden zu und mußte längeren Aufenthalt nehmen, bis seine Wunden geheilt waren.

Täglich gab es ein Wiedersehen zwischen dem hilfreichen Ritter und der Tochter des Burgherren. Sie übernahm dessen Pflege und zeigte sich so für die wunderbare Rettung dankbar. Die beiden jungen Menschen fanden aneinander Gefallen.

Da begann die blühende Rose zu welken. Da war für Ritter Hans ein Zeichen, von der Burg zu scheiden. Oshilde, das liebliche Mädchen an der Quelle auf dem Ostrong, sandte es ihm. Rasch nahm Hans Abschied und ließ sein Pferd gegen Rorregg traben. Die Wachau sollte der letzte längere Aufenthalt gewesen sein.

7. Heimkehr

Munter eilte das Pferd der heimatlichen Burg  zu, und freudig begrüßten die Rorregger ihren neuen Herren. Es hielt ihn aber nicht lange in den Mauern seiner Burg. Bald machte er sich mit einem großen und prächtig gekleideten Gefolge nach dem Ostrong auf, um die Braut feierlich heimzuholen.

An der Quelle erwartete ihn seine getreue Oshilde. Nie zuvor war sie so schön gewesen wie an diesem Tage, und nie hatte man in der Gegend ein stattlicheres Paar gesehen, als Ritter Hans und seine liebliche Braut, als sie feierlich geschmückt in Rorregg einzogen.

8. Hochzeit und Glück

Nun wurde Hochzeit gehalten, wie man eine solche vorher nie gesehen hatte. Einer Elfe gleich schwebte Oshilde am Arme ihres wackeren Recken zum Traualtar. Kaum schienen dabei ihre Füße den Boden zu berühren. Wuchtig schritt Hans neben ihr: ein Bild wahrer Männlichkeit.

Vor dem Altare blieb plötzlich Oshilde stehen und sprach zu ihrem Ritter: "Du mußt mir, wenn ich deine Frau werden soll gestatten, in jeder ersten Vollmondnacht nach Sonnenwende der kommenden Jahre allein in den Wald zu gehen, ohne mir zu folgen. Könntest du deine Neugierde nicht zähmen, würde größtes Unglück über dich kommen." Ritter Hans war zu glücklich, um über diese Worte lang zu grübeln, und gab lachend seine Einwilligung und das Versprechen. Daraufhin wurde die Trauung vollzogen.

Sechs sehr glückliche Jahre verflossen. Stets war sie zu den Armen und Bedrängten hilfsbereit, pflegte die Kranken und wußte für alle, die in Not waren, guten Rat. Oshildens Wirken war für die ganze Gegend segensreich.

Nur einer teilte das Glück der jungen Menschen nicht: der Burgkaplan. Früher holten sich die Menschen aus der ganzen Gegend nur bei ihm Trost und Rat. Nun wurden aber die Besuche immer spärlicher und hörten schließlich ganz auf. Nur zu Oshilde strömten die Bedrückten.

Das machte den Kaplan überaus eifersüchtig und er begann, auf Ritter Hans einzureden, daß es mit seiner Frau nicht ganz richtig zugehe. Er habe sie in der ersten Vollmondnacht nach Sonnenwende allein in den Wald gehen sehen. Er beschwor den Ritter, der Sache nachzugehen.

9. Mißtrauen und Tod

Nun war es mit der Ruhe des Ritters zu Ende. In ihm stiegen Zweifel über die Herkunft seiner Gattin auf. Er erinnerte sich seines  - vor dem Traualtar - gegebenen Versprechens, war aber fest entschlossen, in der ersten Vollmondnacht  nach Sonnenwende die Sache zu klären.

Bald rückte dies Nacht heran. Als der Mond nach Sonnenwende wieder voll war, schlich Hans seiner Frau in den nahen Wald nach. Da sah er vor sich ein wunderschönes Bild.

Im dunklen Waldteich badeten Nixen. Elfen tanzten auf der im Vollmondschein liegenden Waldwiese. Oshilde führte den Reigen an und sang mit so schöner Stimme, wie sie Ritter Hans vorher nie vernommen hatte. Regungslos lag Hans im Grase der taufeuchten Wiese und lauschte der süßen Weise.

Plötzlich waren die Nixen und Elfen verschwunden. Nur Oshilde blieb traurig zurück. Sie ging auf ihren Gatten zu und sprach mit tränenerstickter Stimme: "Nun muß ich von dir Abschied nehmen. Nie sollst du mich wiedersehen. Die Neugierde hat dein Versprechen besiegt."

Als hätte Oshilde der Erdboden verschluckt, war sie seinen Blicken entschwunden. Müde und zerschlagen kam Ritter Hans auf sein Schloß zurück. Er ging an die Betten seiner Kinder. Aber inzwischen war der Tod über sie gekommen. Bleich und kalt lagen sie vor ihm. Hans weinte bitterlich. Er klagte der Nacht sein unsagbares Leid.

Da schwebte eine lichte Wolke am Fenster vorbei. Es war Oshilde. Sie holte ihre beiden Kinder in das Reich der Feen und Nixen. Am anderen Morgen fanden die Burgbewohner ihren Herrn tot vor den leeren Betten seiner geliebten Kinder und seiner schönen Frau auf dem Fußboden liegen.

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